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URS FREUND

L’autonomie de l’art mise à nu par ses disciples, même
(Die Autonomie der Kunst von ihren Jüngern entblößt, sogar)

Warum wird eine Morddrohung strafrechtlich nicht verfolgt, wenn sie ein Künstler proklamiert, während die gleiche Morddrohung für jeden Nicht-Künstler extreme Konsequenzen hätte? Wie lässt sich erklären, dass ein Künstler verfassungsfeindliche Zeichen und Gesten verwenden darf im Gegensatz zu einem Neofaschisten, der sich dafür vor dem Gesetz verantworten muss? Wie soll man es sich denken, dass mittels künstlerischer Weihung eine Sache bzw. ein Sachverhalt als neutralisiert gilt und auch juristisch ganz anders verortet wird als die gleiche Sache bzw. der gleiche Sachverhalt ohne das Prädikat Kunst? In der Regel lautet die Antwort einfach, bei Kunst handele es sich eben um einen autonomen Bereich, in welchem nichts 1:1 gemeint sei, sondern ambivalent verstanden werden müsse. Solche Erklärungen genügen jedoch nicht mehr in einer Zeit, die auch im Bereich Kunst nach Verantwortung fragt. Die Autonomie der Kunst fungiert zwar als Freiraum, in dem (fast) alles erlaubt ist, aber diese Erlaubnis soll doch nicht länger dazu führen, dass der Künstler apodiktisch und sakrosankt seine eigenen Wertmaßstäbe setzen kann. Allerdings ist Kunstautonomie immer schon andauerndes Ringen gewesen um einen Freiheitsbegriff, der eine radikal-individualistische Freiheit meint. Für unsere westlich-pluralistische Gesellschaftsordnung muss dieser Begriff tatsächlich als etwas Fundamentales angesehen werden, das eine autonome Kunst in unmittelbarer Weise abbildet – und wohl niemand anderer als der autonome Künstler schlechthin kann eine derart radikal-individualistische Freiheit beispielhafter vorstellen.


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Infos zum Beitrag:

  • Publikationsdatum
    12/2022
  • Bereich/Sektion
    Erklärende Hermeneutik
    Kunsttheorien

 

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